Die langen Tunnel, Lichter unter der Erde, Na lanntairean - die alten Zwerge hatten ihrem kleinen Reich viele Namen gegeben. In diesen Stollen, in welchen nie die Sonne schien, lebten und arbeiteten sie, und starben sie auch. Viele Generationen lang, ohne nachzufragen, warum, denn die Welt dort draussen war gefährlich - so lautete der Leitspruch. Warum sie gefährlich war, und wie es dort aussah wusste keiner von ihnen. Nur hin und wieder erlaubte man einzelnen Händlern, die äußeren Siedlungen zu betreten.
Wenn sie denn mutig genug waren, dorthin vorzudringen.
Denn es gab einen guten Grund, warum diese Zwerge keiner Waffen, keiner Mauern bedurften. Das Reich der langen Tunnel, Na lanntairean, befand sich inmitten eines riesigen, unterirdischen Labyrinthes, mit Gängen so lang, dass Wochen vergingen, bevor man nur hoffen konnte, eine Kreuzung zu erblicken. Und damit nicht genug: die Zwerge besaßen eine einzigartige Begabung, die es ihnen ermöglichte, den Raum in den Kammern und verzweigten Wegen zu manipulieren. Nach ihrem Willen dehnten, komprimierten und verschoben sie ganze Abschnitte des Labyrinthes, sodass jedem Unerwünschten Gast letztendlich nur die Hoffnung auf Gnade blieb, die Hoffnung darauf, man würde ihm erlauben einen Ausgang zu erreichen, bevor er verdurstete. Auf diese Weise kapselten sich die Zwerge von der Außenwelt ab, und lebten ein bescheidenes, arbeitsames Leben. Mauern reparieren, Pilze züchten, Ratten austreiben - es gab immer etwas zu tun.
Bis eines Tages ein junger Zwerg die alten Lehren in Frage stellte.
Karl Morgengruß, der zweitjüngste Sohn der Bewahrer, welche als die Herrscher von Na lanntairean galten, führte eine Revolution gegen seine eigenen Eltern und die Priester an, siegte, und öffnete das Reich der langen Tunnel für die Außenwelt. Ein nie gesehener Aufschwung setzte ein. Die einzigartigen Fähigkeiten der Zwerge brachten ihnen den Respekt und das Ansehen erst der anderen Untergrund-Völker und bald auch der Oberwelt ein. Die Möglichkeit, lange Distanzen auf wenige Meter zu verkürzen machte Na lanntairean zu einem der größten Handelsstützpunkte des Westens. Mit dem Erfolg kamen die Neider, und so musste das Reich zum ersten Mal in seiner langen Geschichte ein Militär zusammenstellen. Mit Hilfe von Schwertmeistern aus nah und fern trainierte Morgengruß seine Truppen, und vereint mit der Manipulation des Raumes, gab es kaum einen Störenfried, der ihm und dem Rest des Reiches lange Unbehagen beschwerte.
Doch wie bei so vielen aufstrebenden Nationen, war ihr Aufstieg ihr Untergang. Eines Tages, wie aus dem Nichts, erschienen die Magier. Es waren nicht viel an ihrer Zahl, doch sie waren mächtig, und sie wussten die Kräfte der Zwerge mühelos zu neutralisieren. Sie waren hinter der Gravitation, der Singularität im Herzen des Labyrinthes her, aus der in langen Jahren die Kraft des Zwergenvolkes erwachsen war. Karl Morgengruß und seine Mitstreiter kämpften hart, wobei Morgengruß sogar die Kraft der Gravitation selbst in sich aufnahm - doch vergebens. Am Ende siegten die Magier, vernichteten die Singularität und nahmen Morgengruß gefangen.
Morgengruß' älterer Bruder übernahm danach wieder die Macht, doch es war zu spät um zu ihrem früheren, isolationistischen Lebensstil zurückzukehren. Noch eine Genration lang kämpften die Zwerge, doch als keine neuen Kinder mit der Gabe des Raumes mehr zur Welt kamen, blieb ihnen nichts anderes mehr übrig, als Na lanntairean aufzugeben. Die wunderschöne Stadt der Lichter wurde geplündert. Die Dörfer und Stollen der Zwerge verwüstet. Die Kinder der Lichter unter der Erde in alle Winde verstreut.
Heute zeugen nur noch die Geschichten von unendlichen Labyrinthen davon, dass dieses Reich jemals existiert hat.
Erst lange Jahre später erfuhr Morgengruß, der zu diesem Zeitpunkt durch die andauernden Verhöre durch die Magier längst den größten Teil seines Geistes verloren hatte, von dem Niedergang seines Volkes. In Folge seines Wutausbruches entkam er, nicht ohne den halben Turm in Schutt und Asche zu legen.
Die ausgelösten Raum-Paradoxa konnten die Magier bis heute nicht entfernen.
